Blasser Pfifferling Cantharellus_pallidus

Blasser Pfifferling Cantharellus pallidus


Kultivierung des Pfifferlings unter Laborbedingungen gelungen.

Diese sensationell anmutende Nachricht, die uns dankenswerterweise von Reinhard Burhenne zugesandt wurde und u.a. in GEO 4/97 publiziert war, könnte in nicht allzu ferner Zukunft  auf  ausreichende und preiswerte Pfifferlinge für den Kochtopf hoffen lassen. Soweit GEO und NEW  Scientist.  
Hingegen sind  durchaus  Zweifel an der Praktikabilität der beschriebenen Methode angebracht: Das von der Firma Cantharellus AB praktizierte Verfahren, junge Baumsämlinge mit einer Mykorrhiza auszustatten, ist so neu ja nicht. Seit vielen Jahren werden z.B. Kiefern  gezielt mit einer Symbiose des Erbsenstreulings  Pisolithus arhizos versehen, um die Bäume „belastbarer“ zu machen. Die Mykorrhiza ermöglicht dem Baum eine bessere Ausnutzung von Bodenwasser und Phosphat, erhöht die Lebensdauer der Feinwurzeln und fördert eine bessere Verzweigung des Wurzelsystems. Solchermaßen gestärkte Bäume sind durch die Symbiose mit dem Pilz  überhaupt erst geeignet, Pionierstandorte, wie z.B. erodierte Steilhänge , zu besiedeln. Das Verfahren der gezielten Mykorrhizierung wird von spezialisierten Baumschulen im größeren forsttechnischen Maßstab auch bei Eiche, Hasel und anderen Gehölzen angewandt und stellt z.B. Trüffierenbesitzern beimpfte Jungbäume zur Verfügung.

Ob diese mykorrhizierten Bäume letztlich auch Fruchtkörper hervorbringen, ist eine ganz andere  Frage, die primär von den Standortbedingungen abhängt: auch die stabilste Mykorrhiza hat kaum die Kraft zur Reproduktion, wenn der Wald durch Drainagegräben und Grundwasserabsenkungen ausgetrocknet wird, wenn die Pilzflora infolge Kalkung, Düngung  und sonstiger lebensfeindlicher Eingriffe ihrer Existenzgrundlagen beraubt wird.

Fazit: Ein meßbarer Erfolg in der Kultivierung des Pfifferlings (Cantharellus cibarius) wie auch anderer Mykorrhizapilze wäre - wenn überhaupt - nur bei dauerhaft einseitiger Hege zu erwarten, wie das z.B. bei den Trüffeln in Frankreich und Italien geschieht.
In diesem Fall würden die Pfifferlinge aber auch soviel kosten müssen wie die Trüffeln.

Davon abgesehen erschreckt mich  folgendes Science-Fiction-Szenario: Wälder und Forsten wären von privaten Unternehmern kommerziell genutzte Pfifferlings-Kiefern-Äcker, die u.a. vor parasitierenden Pilzsuchern und Wildschweinen geschützt und daher eingezäunt werden würden. Die bis dato noch vorhandene Artenvielfalt würde  - mit zahlreichen chemischen und biologischen Hilfsmitteln der Optimierung des Pilzertrages  und der Maximierung des Gewinnes geopfert werden müssen. Kurz: Alle Begleiterscheinungen, die aus der intensiven Landwirtschaft hinlänglich bekannt sind, würden den Erholungswert der Wälder zwangsläufig empfindlich beeinträchtigen.
Nicht viel besser sieht es aus, wenn - dem GEO-Bericht zufolge - auch „andere begehrte und bedrohte Pilzarten“ künstlich gefördert würden: wir wissen doch noch viel zu wenig über Wechselwirkungen zwischen den ungezählten natürlichen Organismen, die den Wald zu einer lebendigen Einheit  machen. Jede Maßnahme, die einzelne Arten fördert oder bekämpft, stellt einen Eingriff in das natürliche Gefüge dar, dessen Folgen wir überhaupt nicht überblicken können.

Im Umkehrschluß hieße das: würden wir nur einen kleinen Teil der Energie, die erforderlich ist, um einzelne Arten zu begünstigen oder zu bekämpfen, umverteilen, mit dem Ziel,  natürliche oder wenigstens naturnahe Lebensräume zu schaffen und zu erhalten, würde sich bald eine Veränderung zum Guten bemerkbar machen, die uns allen ohne weiteres Zutun eine Möglichkeit gäbe, das, was die Natur uns  in all  ihrer Fülle zu bieten hat, auch in Zukunft  genießen zu können.  Einschließlich ausreichender Mengen an Pfifferlingen.

A propos Lebensräume: wenn es uns nicht bald gelingt, die Schadstoffemmissionen auf ein erträgliches Maß zu senken und damit den Gebirgswäldern ihre natürliche Wasser-Rückhaltefunktion  wieder zu ermöglichen, nehmen wir dem Homo sapiens den seinen.
Das  jüngste Hochwasser an der Oder sollte uns (wieder einmal) zu denken geben...

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Autoren dieser Bücher sind Olle Persson und Falko Feldmann.
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